Unwürdig kreditwürdig

Jeder, der in Deutschland schon einmal ein Girokonto eröffnet hat, musste sie unterschrieben: die SCHUFA-Auskunft. Doch was sich hinter den Großbuchstaben verbirgt, wissen die wenigsten. Die einen halten die SCHUFA für eine staatliche Behörde, andere für eine Art nebulöses Zaubereiministerium wie aus den Harry-Potter-Romanen, die nächsten für eine privatwirtschaftliches Verbrecherunternehmen. Beginnt man zu recherchieren, stößt man auf die Information, dass Die Geschichte der SCHUFA in den 20er Jahren beginnt. Die Berliner Städtische Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (BEWAG) verkaufte in dieser Zeit neben Strom auch auf Raten finanzierte Haushaltsgeräte. Die Ratenzahlungen wurden damals zusammen mit der Stromrechnung beglichen und nur regelmäßig zahlende Kunden wurden mit Elektrogeräten versorgt. So entstand ein System zur Beurteilung des Zahlungsverhaltens. Zwei Mitarbeiter der BEWAG gründeten zusammen mit einem Rechtsanwalt im Jahr 1927 die „Schutzgemeinschaft für Absatzfinanzierung in Berlin“. Seit 2010 ist die Datenübermittlung nach einem Paragrafen des Bundesdatenschutzgesetzes geregelt. Danach dürfen personenbezogene Daten über eine Forderung nur übermittelt werden, wenn diese durch ein Urteil festgestellt ist oder ein Vollstreckungstitel vorliegt, die Forderung unbestritten in der Insolvenztabelle festgestellt ist, der Schuldner die Forderung ausdrücklich anerkannt hat oder wenn der Betroffene nach Eintritt der Fälligkeit mindestens zweimal schriftlich gemahnt wurde, zwischen der ersten Mahnung und der Meldung an die SCHUFA mindestens vier Wochen liegen, die Übermittlung der Daten an die SCHUFA rechtzeitig angedroht wurde und der Betroffene die Forderung nicht bestritten hat- Nichts davon traf in meinem Fall zu. Dennoch hatte ich neulich einen negativen SCHUFA-Eintrag, bereits über ein Jahr, ohne dass ich davon etwas geahnt hätte. Es begann damit, dass ein Großhändler für Zigarren, nach über zwanzigjähriger solider Geschäftsbeziehung, mein Unternehmen plötzlich nur noch gegen Vorkasse beliefern wollte. Eine Inkassofirma habe meinem Einzelunternehmen ein schlechtes „Rating“ ausgestellt, hieß es auf Nachfrage. Ich schrieb wütende Briefe und versuchte, dem Grund dafür herauszufinden. Denn ich hielt mich für solvent, hatte keine privaten Schulden und die Kredite meines Geschäfts immer pünktlich bedient. „Vielleicht ist bereits der Handel mit Whisky und Zigarren in Zeiten der Amerikanisierung und des  fortschreitenden Gesundheitswahn ein Grund für ein schlechtes Scoring“, sagte mein Bankberater dazu ratlos. Erst als ich ein neues Konto eröffnen wollte, erfolgte die Auflösung des Rätsels. Die SCHUFA-Auskunft ergab eine offene Forderung aus einem nicht bedienten Vertrag. Ich war fassungslos. Eine detaillierte Auskunft über den ablehnenden Bescheid durfte mir meine Bank nicht geben. Auf der Internetseite der SCHUFA fand ich Angebote für kostenpflichtige Abonnements zur Konteneinsicht, von denen ich in meiner Verzweiflung sofort eines für 9,95 EUR monatlich buchte. Ein paar Tage und schlaflose Nächte später wurde mir eine Super-PIN zugeschickt aber auf weitere Zugangsdaten musste ich geduldig warten bis mir, gut zehn Tage nach der niederschmetternden Neuigkeit, Einblick in mein eigenes Konto gewährt wurde. Ich sah diverse Telefonverträge, einen Leasingkredit und eine Menge anderer Konten und Summen, die ich genauso wenig zuordnen konnte wie den offenen Posten mit einer mir unbekannten Vertragsnummer. Ganz erstaunlich, was dieses Unternehmen so alles über mich wusste. Nur sagte mir der Firmenname meines Gläubigers leider rein gar nichts. Hartnäckig wie Miss Marple machte ich mich auf Spurensuche und landete schließlich bei einem Fitness-Center-Vertrag für meine minderjährige Tochter. Ich konnte mich an einen Einspruch zu einer von diesem Fitness-Unternehmen nicht akzeptierten Kündigung erinnern und daran, die Sache im letzten Jahr an meine Anwältin übergeben zu haben. Dort ruhte der Vorgang. Weder sie noch ich hatten seither mehr etwas von den Sportsfreunden gehört. „Die Löschung eines SCHUFA-Eintrags kann lange dauern“, sagte meine Anwältin. Bis dahin blieb ich insolvent. Würde ich die offenen Forderungen begleichen, könnte der Eintrag umgehend gelöscht werden, so die freundliche Auskunft des Inkassounternehmens der Fitness-Kette. Die ursprüngliche Forderung war inzwischen von 170 EUR auf 420 EUR angewachsen. Auf diese Erpressung ging ich nicht ein. Ich wollte weiterhin keine Beiträge zahlen, die ich für vertragswidrig hielt. Doch die Zeit drängte, die Sache hatte sich nun bis zu meiner Hausbank herumgesprochen. Der Dispokredit meines Firmenkontos stand auf dem Spiel, von meiner geschäftlichen Reputation, meinem Ruf als Geschäftsfrau ganz zu schweigen – der schien ohnehin schon verloren zu sein. Die Auflösung erfolgte dann überraschend prompt. Einen Tag nach dem postalischen Eingang der Richtigstellung meiner Anwältin hieß es von Seiten der SCHUFA lapidar: „Aufgrund Ihrer Anmerkung haben wir uns entschlossen, das hier zur Rede stehende Abwicklungskonto aus dem Datenbestand zu löschen… Wir behalten uns jedoch vor, die Daten bei Bekanntwerden weiterer Informationen wieder in den Datenbestand aufzunehmen.“ Kein Wort des Bedauerns, keine Entschuldigung für meinen erlittenen finanziellen und gesellschaftlichen Schaden. Das Schreiben leitete ich an meine Banken und Geschäftspartner weiter. Mein SCHUFA- Scoring ist jedoch bis heute nicht wieder bei einer Punktzahl von Sehrgut angelangt. „The damage is done“. Von 100 SCHUFA-Auskünften sind nachweisbar 10 fehlerhaft. Was diese Fehler bedeuten können, wie ohnmächtig man sich fühlt und welche Verzweiflung einen bei einem solchen Fehler befällt, weiß ich nun aus eigener Erfahrung. Es bleibt das Gefühl der Ohnmacht. Die Internetseite der Wirtschaftsauskunft wirbt im Übrigen mit einem interessanten Slogan: „SCHUFA – wir schaffen Vertrauen.“

Katharina Sigwart

vor 33 Minuten antworten

Ungeheuer. Im vollen Sinne des Wortes. Auch wenn das Adjektiv leidlich überstrapaziert ist, so fällt einem doch sofort das Wort ‚kafkaesk‘ ein. Diese unsichtbaren Fäden in die man verstrickt ist und die sich urplötzlich in veritable Fallstricke verwandeln können. Schaut man nach China, die mit ihrem social scoring unfassbare Maßstäbe setzen, wird einem ganz und gar schwindelig.

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