Obenrum unfrei

Liebe Feministinnen, neue und altgediente, was ist nur los mit euch? Noch immer bin ich mir nicht schlüssig, ob ich wenigstens eure Busenfreundin sein darf, aber eines weiß ich mit Gewissheit:

Ich will kein Bikinioberteil mehr tragen!

Frauen aller Altersklassen, erklärt mir bitte, was in den letzten zwanzig Jahren passiert ist. Warum muss ich am Strand wieder meine Brüste bedecken?

Wenn ich in den Achtzigern mit meiner Schwester Urlaub machte, durchs spanische Mittelmeer kraulte, von einer griechischen Insel zur nächsten hüpfte oder in die kalten Wellen vor der französischen Atlantikküste sprang, taten wir das oben ohne, ganz selbstverständlich. Die Oberteile unserer Badebekleidung hatten gar nicht erst in unseren Rucksack gefunden.

Nein, auch uns war es nicht entgangen, dass es, vor allem in südlichen Ländern Männer gab, die mit halbnackten Frauen gewisse Probleme hatten.

Nur dachten wir, was ich noch heute beobachte, dass die Aversionen den allein reisenden jungen blonden Mädchen galten. Eine gewisse Nervosität angesichts emanzipierter westlicher Frauen und deren demonstrativ zur Schau gestellte Körperlichkeit war nicht zu übersehen. Dennoch erregte das Weglassen der Bikinioberteile damals überall in Europa schon lange kein öffentliches Ärgernis mehr, wobei einem das Taktgefühl sagte: Vorsicht, es gibt auch andere Bevölkerungsteile, die sich beleidigt fühlen mochten – Mönche, Fischer, Bergbauern und fromme Witwen auf dem Weg zur Kirche.

Ob man die westliche Frau als Freiwild betrachtete, hatte aber nichts mit Oben-ohne-Baden, sondern mit der Erziehung des Nachwuchs zu tun.

Denn es ist doch so: mit einem Fetzchen Stoff auf dem Leib ist man aufreizender, ja vielleicht sogar sexuell anziehender als ohne. Die Erfindung der Dessous hat ihren Ursprung in der antörnenden Wirkung von kleinen Stoffpartien auf nackter Haut, die viele Männer und auch Frauen anregender finden als die pure anatomische Blöße.

Einen Badeanzugzwang könnte ich ja noch verstehen. Doch der hat sich, wie ich mich soeben mit Blick auf einige italienische Buchten versichert habe, trotz aller wachsenden Prüderie nicht etabliert. Selbst ältere Damen tragen in dieser Hitze lieber knappe Rüschenhöschen und winzige Dreiecke auf dem wogenden Busen. Das ist sexuell expliziter als die schnörkellosen Nackedeis am FKK-Strand.

Seit geraumer Zeit gehört also die bedeckte weibliche Brust wieder zum allgemeinen Benimmkodex. Außer in gewissen Hippie-Arealen, liegt heute wohl keine Frau mehr oben ohne im Sand. Sogar das Umkleiden erfolgt unter houdiniartigen Verrenkungen, umständlich hinter Strandtüchern verborgen. Während die Herren mit entblößter Brust am Meeressaum entlang spazieren, platze ich vor Neid, warum darf ich das nicht (mehr)?

Für mich ist der männliche Körper ähnlich interessant und anziehend wie der weibliche. Fällt mir am Meer eine schöne männliche Brust auf, schaue ich ihr genauso nach, wie einem Paar wohlgeformter weiblicher Brüste. Meistens aber sind meine Augen hinter einer Taucherbrille versteckt, vollkommen fixiert auf die rundlichen Formen der Meeresbewohner.

Wozu also das Bikinioberteil? Es versteckt nicht die Brustform und auch nicht deren Reize – wohl aber die Brustwarzen. Aha, sollte das Anzügliche einer unbedeckten Brust also in der Struktur des männlichen Begehrens liegen?

Sind männliche Wesen stärker nippelfixiert als weibliche?

Die Männer, mit denen ich bisher FKK-Areale und Saunalandschaften besuchte, gerieten nicht nur deshalb nicht in einen dauernden Erregungszustand, weil sich das optisch schlecht machen würde, sondern weil es seit den Zeiten der Neandertaler eine gewisse kulturevolutionäre Weiterentwicklung gegeben hat. Sie verfügen inzwischen über Techniken, die es ihnen ermöglichen, zwischen Sexualität und Freikörperkultur zu unterscheiden. Sie haben gelernt, ihr Verhalten dem Aufenthaltsort anzupassen und sich hinter verschlossenen Türen auf einem Boxspringbett anders zu geben als auf einer Sonnenliege in der dritten Reihe am Mittelmeerstrand, ganz gleich, wieviele Brüste gerade um sie herum hüpfen und schaukeln.

Wie gesagt, ich rede von der mir bekannten Sorte von Männern. Den Wunsch, meine Brüste nahtlos zu bräunen, habe ich hier in Europa, dort wo ich vor zwei, drei Jahrzehnten noch fröhlich nur im Badehöschen antrat.

Niemals würde ich das in Amerika wagen, wo es sofort zu einem Nippel-Gate käme oder mich in Bahrain gegen die Landessitten stellen. Nur hier in Italien, in Schweden und am Dortmunder Baggersee waren wir schon einmal weiter, daran erinnere ich mich. Nur für diese Gegenden fordere ich einen gelockerten Dresscode.

Also, liebe Feministinnen, die ihr das Schamhaar rasiert, getrimmt oder naturbelassen unter der Bikinihose tragt, macht ihr mit? Kommt, lasst uns diese lästigen Körbchen, Bänder und Schnallen von unseren Oberköpern verbannen und wie ein Mann in Badehose antreten. Freie Brüste für freie Frauen!

 

 

 

 

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